Wissenschaftliche Stellungnahme der DGPZM und DGEZM zur gesundheitlichen Bewertung von Zucker, Zuckerersatz- und Zuckeraustauschstoffen in der Zahnmedizin
Der Konsum von freiem Zucker (z. B. in Süßwaren, gesüßten Getränken, verarbeiteten Lebensmitteln) ist weltweit mit einer Vielzahl gesundheitlicher Risiken assoziiert wie beispielsweise Adipositas und metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen. Im zahnmedizinischen Bereich ist die Karies als weltweit hochprävalente chronische Erkrankung an erster Stelle zu nennen, aber auch Gingivitis und Parodontitis werden durch Zuckerkonsum gefördert. In ihrem systematischen Umbrella-Review analysierten Huang et al. 2023 die gesundheitlichen Auswirkungen des Zuckerkonsums auf Basis von 73 Meta-Analysen, die insgesamt 8601 Originalstudien erfassten. Die Autoren identifizierten deutliche Zusammenhänge zwischen einem hohen Konsum an freien und zugesetzten Zuckern – insbesondere in Form zuckerhaltiger Getränke – und einem erhöhten Risiko für zahlreiche Erkrankungen, darunter Typ-2-Diabetes und Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen, verschiedene Krebsarten, Lebererkrankungen sowie Karies. Besonders hervorzuheben ist, dass der tägliche Konsum von jeweils 250 ml zuckerhaltiger Getränke mit einem 17 % höheren Risiko für koronare Herzerkrankungen und einem Anstieg der Gesamtmortalität um 4% assoziiert war. Insgesamt liegt der Evidenzgrad dieser Aussagen bei moderater bis niedriger Qualität. Vor diesem Hintergrund empfehlen die Autoren, die tägliche Aufnahme freier Zucker auf unter 25 g pro Tag (entspricht etwa 6 Teelöffeln) zu beschränken und den Konsum zuckerhaltiger Getränke auf maximal eine Portion pro Woche zu reduzieren, um langfristig gesundheitliche Risiken zu minimieren (Huang et al., 2023). Damit bestätigen die Autoren die Empfehlung der WHO, den Zuckerkonsum auf unter 25g / Tag zu reduzieren.
Für die Zahnmedizin ist die Evidenz zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Zuckerkonsums als umfassend und solide einzustufen, daher empfehlen die DGPZM und DGEZM, den Konsum von freien Zuckern unter 25g pro Tag zu begrenzen, sowie die Gewöhnung an einen süßen Geschmack durch zugesetzte Zucker, aber auch andere Süßungsmittel, in der Ernährung von klein auf zu vermeiden (DGZ und DGZMK, 2025).
Zuckerersatzstoffe (Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe) erfreuen sich als kalorienarme Alternativen zu Haushaltszucker wachsender Beliebtheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte im Mai 2023 eine Leitlinie zur Verwendung von Zuckerersatzstoffen (non-sugar sweeteners, NSS), in der sie die Empfehlung ausgesprochen hat, zuckerfreie Süßstoffe nicht zur Gewichtskontrolle oder zur Verringerung des Risikos chronischer Krankheiten einzusetzen. Als NSS werden in der Leitlinie u.a. synthetische Verbindungen wie Aspartam, Sucralose und Saccharin sowie natürliche Alternativen wie Stevia bewertet. Der Evidenzgrad der WHO-Leitlinie ist überwiegend als niedrig bis moderat zu bewerten – mit einer daraus resultierenden "bedingten Empfehlung" (conditional recommendation). Die eingeschlossenen Arbeiten zeigen, dass in klinischen Studien über einen kurzen Zeitraum (3 Monate) NSS den Zuckerkonsum und somit die Gesamtenergiezufuhr kurzfristig verringern und dadurch vorübergehend zu einer Reduktion von Körpergewicht und Body-Mass-Index führen können. Langfristige Beobachtungsstudien weisen jedoch auf eine gegenteilige Assoziation hin. Der regelmäßige Konsum von NSS ist mit einem erhöhten Risiko für Adipositas (höherer BMI), Typ-2-Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen sowie einer gesteigerten Gesamtmortalität verbunden. Eine Assoziation von NSS mit Krebserkrankungen konnten die Autoren der WHO Leitlinie nicht belegen, es wurde lediglich eine Fall-Kontroll-Studie mit einem erhöhten Risiko für Blasenkrebs genannt. Die Leitlinie richtet sich an die Allgemeinbevölkerung, ausgenommen Personen mit präexistierendem Diabetes mellitus, für die NSS weiterhin eine Rolle im Rahmen der Blutzuckerkontrolle spielen können. Die WHO betont, dass die Empfehlung keine toxikologischen Bewertungen einzelner Süßstoffe ersetzt, sondern auf deren Einsatz im Kontext einer gesunden Ernährung abzielt. NSS sind aus Gründen der Geschmacksverbesserung in vielen Medikamenten und Kosmetika (hierzu zählen auch Mundhygieneprodukte) in geringen Mengen enthalten, weswegen diese Produkte von der WHO-Empfehlung ausgenommen sind. Vielmehr betont die WHO, den Zuckerkonsum oder die Gewöhnung an einen süßen Geschmack in der Ernährung bereits im Kindesalter zu reduzieren, um Präferenzen für stark gesüßte Lebensmittel und Getränke nicht erst zu fördern. Als Getränke sollten Wasser, ungesüßter Tee oder Kaffee bevorzugt werden. In der Ernährung kann frisches Obst eine gesunde Quelle für Süße anstelle von zugesetztem Zucker sein.
Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit(ol) Xylit(ol), Erythrit(ol) oder Mannit(ol) kommen natürlicherweise vor und werden als kalorienarme Alternativen zu Industriezucker im Supermarkt in ähnlichen Mengengrößen wie Industriezucker verkauft. Im menschlichen Organismus entstehen Zuckeralkohole wie Xylitol und Erythritol in geringen Mengen endogen als Zwischen- oder Nebenprodukte im Pentosephosphat-Stoffwechselweg und sind in niedrigen Konzentrationen im Blutplasma nachweisbar. Beide Substanzen haben einen niedrigen glykämischen Index und beeinflussen den postprandialen Blutzuckerspiegel kaum, was sie für Menschen mit Diabetes attraktiv macht. Sie werden in zahlreichen Lebensmitteln und diätetischen Produkten sowie zum Backen und Kochen eingesetzt.
Zur Kariesprävention eignen sich Zuckeralkohole wie Sorbitol, Xylitol, Erythritol und Mannitol sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen und werden in Mengen bis zu 5 g verteilt auf mehrere kleine Portionen pro Tag in Form von Zahnpasta, Mundspüllösung, Prophylaxepulver, Kaugummis, Lutschbonbons etc. eingesetzt. Neben ihren Vorteilen hinsichtlich Kalorienreduktion und Zahngesundheit rücken in letzter Zeit mögliche gesundheitliche Risiken, insbesondere im Hinblick auf schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse (z.B. Myokardinfarkt oder ischämischer Schlaganfall), verstärkt in den Fokus der Forschung. Einzelne klinisch-experimentelle Studien weisen für Xylitol und Erythritol auf potenzielle kardiovaskuläre Risiken im Zusammenhang mit einer erhöhten Plasmakonzentration dieser Zuckeralkohole hin:
In der Zeitschrift Nature Medicine aus dem Jahr 2023 berichteten Witkowski et al. über eine signifikante Assoziation zwischen erhöhten Erythritol-Spiegeln im Plasma und einem erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse wie Myokardinfarkte, Schlaganfälle und Todesfälle (Witkowski et al., 2023). Methodisch handelt es sich hier um eine nicht-randomisierte Beobachtungsstudie, die drei unabhängige Kohorten aus den USA und Deutschland mit insgesamt über 4.000 Patientinnen und Patienten zwischen 55 und 81 Jahren mit und ohne kardiovaskulärem Risiko umfasste. Nach statistischer Bereinigung von Risikofaktoren wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Diabetes mellitus, BMI, Blutdruck, Rauchstatus, etc. zeigte sich, dass erhöhte Plasmaspiegel von Erythritol mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert waren. Ergänzende in-vitro-Studien am Tiermodell zeigten weiterhin, dass Erythritol zu einer verstärkten Thrombozytenaggregation führte, gemessen in der Zeit der Thrombusbildung bis zum Gefäßverschluss. In einem interventionellen Teil der Studie konnte nach oraler Einnahme von 30 g Erythritol eine rasche Erhöhung der Plasmaspiegel auf thrombogene Konzentrationen und Verweildauern des Zuckeralkohols im Blutplasma bis zu zwei Tagen dokumentiert werden. Die mechanistischen Grundlagen dieser Beobachtungen wurden in einer weiteren Studie derselben Arbeitsgruppe vertieft. Insbesondere bei vulnerablen Patientinnen und Patienten mit vorbestehender Gefäßerkrankung sehen die Autoren ein erhöhtes Risiko (Witkowski et al., 2024b).
Im Jahr 2024 publizierten Witkowski et al. eine weitere Arbeit im ähnlichen Setup im European Heart Journal, die die systemische Wirkung von Xylitol untersuchte (Witkowski et al., 2024a). Hier wurde ebenfalls in drei Kohortenstudien ein erhöhter Xylitol-Plasmaspiegel mit einem signifikant erhöhten Risiko für schwerwiegende unerwünschte kardiale Ereignisse nach 3 Jahren assoziiert. In-vitro-Versuche bestätigten eine durch Xylitol induzierte Thrombozytenaktivierung, während in Tiermodellen ebenfalls eine beschleunigte Thrombusbildung beobachtet wurde. Auch hier konnte in einem interventionellen Teil an 10 gesunden Probanden nach oraler Einnahme von 30 g Xylitol (entspricht 500 ml eines gesüßten Getränks oder 0,5 l Eiscreme) im Vergleich zum Nüchternplasma eine rasche Plasmakonzentrationserhöhung auf das bis zu 1000-fache mit einer mittleren Halbwertszeit von ca. 13 Minuten und Verweildauern des Zuckeralkohols im Blutplasma von 4-6 h nachgewiesen werden. Bei den gesunden Probanden im interventionellen Teil der Studie wurde eine schnelle Ausscheidung von Xylitol beobachtet, die innerhalb von Stunden nach der Aufnahme einer größeren Menge wieder nahezu den Ausgangswert (nüchtern) erreichte. Insgesamt zeigen die Studien die Notwendigkeit, den Einsatz von Xylitol und Erythritol als Zuckeraustauschstoff in Nahrungsmitteln und Getränken zukünftig kritisch zu betrachten. Möglicherweise beruhen die in den Beobachtungs- und Validierungskohorten beobachteten Plasmaspiegel-Schwankungen auf endogenen Produktionen, daher sind weiterführende randomisierte klinische Studien notwendig und angezeigt. Die Limitationen dieser Studien liegen zum einen im insgesamt höheren Alter der Probanden, die durchschnittlich 63-65 Jahre alt waren und zum anderen in dem nichtrandomisierten Studiendesign mit einem Schwerpunkt auf Risikopatienten mit bestehenden kardio-vaskulären Erkrankungen. Daher ist die bisherige Datenlage noch nicht ausreichend, um hieraus bevölkerungsbasierte Empfehlungen oder Kausalitäten abzuleiten.
Die nicht kariesfördernde Wirkung von Xylit, Erythrit und Sorbit ist durch eine Vielzahl randomisierter kontrollierter Studien belegt, auf die im Rahmen dieser Stellungnahme nicht näher eingegangen wird. Xylitol scheint im Gegensatz zu Zucker keine fördernden Effekte auf Gingivitis zu haben. Die lokale Anwendung insbesondere von Xylit und Sorbit in Form von Zahnpasta, Kinderzahnpasta, Mundspüllösungen, Speichelersatzpräparaten, Kaugummis oder Lutschpastillen ist bewährt und effektiv. Erythrit wird in der Zahnmedizin vornehmlich als Pulver in Luft-Pulver-Wasser-Strahlgeräten („Air flow“) zur professionellen Zahnreinigung eingesetzt. Bei der Nutzung in Luft-Pulver-Wasser-Strahlgeräten kommt es daher nur selten, in der Regel etwa ein- bis viermal pro Jahr zur Exposition mit Erythrit.
Die in der Zahnmedizin verwendeten Mengen an Xylit und Erythrit in den oben genannten Präparaten (typischerweise < 5 g/Tag) liegen deutlich unter den Dosierungen, die in den erwähnten einschlägigen Studien untersucht wurden. Insbesondere für den Bereich der Zahnmedizin bestehen derzeit keine Hinweise auf systemische Nebenwirkungen bei ausschließlich lokaler Anwendung. Da Luft-Pulver-Wasser-Strahlgeräte mit Erythrit auch subgingival eingesetzt werden können, ist es denkbar, dass es zu einem gewissen Eintrag von Erythrit in die Blutbahn kommt. Dadurch werden jedoch nicht annähernd Konzentrationen und kritische Mengen erreicht, die in den o.g. Studien berichtet werden. Die DGPZM hat sich hierzu bereits im April 2023 positioniert und eine Stellungnahme veröffentlicht, auf die an dieser Stelle erneut verwiesen wird: https://www.dgpzm.de/news-und-presse/news/dgpzm-nimmt-stellung-zu-aktueller-erythrit-studie
Die Dosis macht das Gift: Die Evidenz zu den krankheitsfördernden Auswirkungen des Zuckerkonsums ist als umfassend und solide einzustufen. Daher ist darauf zu achten, an einen natürlich süßen Geschmack in der Ernährung, möglichst ohne zugesetzte Zucker, von klein auf zu gewöhnen und den Gehalt an freien Zuckern in der Nahrung von jung bis alt zu begrenzen. Falls bereits eine Gewöhnung erfolgt ist, können Süß- und Zuckerausstoffstoffe in geringen Mengen eine unterstützende Funktion bei der Kariesprävention haben. Xylit und Erythrit sind in der Zahnmedizin aufgrund ihrer lokal begrenzten Anwendung, geringen Dosis und nachgewiesenen Wirksamkeit zur Kariesprophylaxe weiterhin empfehlenswert und sicher. Bei gesunden Personen ist ein gelegentlicher Verzehr in moderaten Mengen als unbedenklich einzustufen. Die Einnahme größerer Mengen über Nahrungsmittel (z.B. als Zuckeraustauschstoff beim Kochen und Backen) sollte jedoch bei bestimmten Risikogruppen beispielsweise mit kardiovaskulärer Vorerkrankung, metabolischem Syndrom, etc. kritisch betrachtet und vermeiden werden. Dies betrifft allerdings genauso den Zuckerkonsum. Hier ist eine klare Nutzen-Risiko-Abwägung unter Berücksichtigung individueller Vorerkrankungen auch seitens der Zahnmedizin gefordert und angezeigt. Eine individuelle Ernährungsberatung der Patientinnen und Patienten durch (Zahn)Ärzte und ihr (zahn)medizinisches Fachpersonal sollte fester Bestandteil des Therapiegesprächs sein. Langfristig sollten hierfür mehr qualifizierte Programme entstehen, die ggf. auch Ernährungsfachkräfte einbinden.
DGZ und DGZMK (2025). S3-Leitlinie Kariesprävention bei bleibenden Zähnen - grundlegende Empfehlungen. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-021
Huang Y, Chen Z, Chen B, Li J, Yuan X, Li J et al. (2023). Dietary sugar consumption and health: umbrella review. BMJ 381(e071609.
Witkowski M, Nemet I, Alamri H, Wilcox J, Gupta N, Nimer N et al. (2023). The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk. Nat Med 29(3):710-718.
Witkowski M, Nemet I, Li XS, Wilcox J, Ferrell M, Alamri H et al. (2024a). Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk. Eur Heart J 45(27):2439-2452.
Witkowski M, Wilcox J, Province V, Wang Z, Nemet I, Tang WHW et al. (2024b). Ingestion of the Non-Nutritive Sweetener Erythritol, but Not Glucose, Enhances Platelet Reactivity and Thrombosis Potential in Healthy Volunteers-Brief Report. Arterioscler Thromb Vasc Biol 44(9):2136-2141.